Beltane
- Kathrin Sanmann-Lehmann
- 7. Juni 2024
- 3 Min. Lesezeit
An Beltane fallen eigentlich zwei ursprüngliche Feste zusammen.
Zum einen geht es um die Geburt des Sonnengottes Belenus (weitere Namen: Belenos, Bel, Beli, Belinus, Bile), welcher primär der inselkeltischen Götterwelt zugeordnet ist.
Zum anderen aber auch um die Hochzeit der Maid mit dem Hirschgott, welche in unterschiedlichen Aspekten und Darstellung der jeweiligen Prinzipien im gesamten deutschen Sprachraum, bis hin zu weiten Teilen Europas vorzufinden ist, und der daraus entstehenden Fruchtbarkeit. Aus dieser mystischen Vereinigung entstammen der erhebliche Teil der europäischen Fruchtbarkeits- und Sexual-Riten, die in diesen Teil des Jahreskreises fallen. Auch der neopagane Ableger, den man „den Großen Ritus“ nennt, stellt die Vereinigung des männlichen Prinzips und des weiblichen Prinzips dar, aus dem eine universelle Ganzheit entsteht.
Im großen Kontrast zu der moderne, wo uns bewusst geworden ist, dass wir stets beide Grundenergien in uns tragen und diese in einem alchemistischen Prozess miteinander als kleine Hochzeit vereinen, fehlte in den vorausgegangenen Jahrhunderten der Bevölkerung das Verständnis hierfür. Die Ganzheit, und damit die kurze, transzendentale Erfahrung, die der Sexualakt in sich bergen kann, war der übliche weg.
Also wurde spirituelle Ganzheit durch Sexualität mitunter erfahren. Ich möchte das nicht Romantisieren. Dieses spirituelle Konzept wurde wahrscheinlich nur von der damaligen Priester-Kaste und ähnlich einzustufenden spirituellen Führern gelebt, die breite Bevölkerung hingegen wird auf diese Weise ihre Lust und ihre Leidenschaft aber auch die daraus entstehende Fülle ausgelebt haben.
Und es gilt zu benennen: diese Idee kann Basis für sexuelle Übergriffe werden, -aber auch nur dann, wenn der Aspekt der freiwilligen Teilnahme ignoriert und statt Energie halten und verschmelzen, Triebbefriedigung im Vordergrund steht. Der „große Ritus“ in seiner transzendentalen Form, erfordert also sehr viel persönliche Reife und ist in seiner spirituellen Bedeutung keine bloße Orgie, -aber er kann als solche Missbraucht werden.
Selbst nach der Christianisierung ließ sich die Fülle der Bräuche aus Werben beider Geschlechter umeinander in diesem Zeitraum nicht unterbinden, wenn gleich sie auch durch das Umbenennen und Abändern der Bräuche um lokale Energien in die Verehrung von Heiligen verändert haben. Heute haben wir eine Vermischung von christlich-spirituellen Riten mit den indigenen Feierlichkeiten, was durch die Jahrhunderte hinweg auch dazu geführt hat, dass scheinbar von außen betrachtet diese Bräuche ineinander verschwimmen und oft die Walpurgisnacht mit Beltane und anderen Maifeierlichkeiten gleichgesetzt wird.
Trotzdem: Auch wenn uns heute nicht bewusst ist, welchen Ursprung der Maibaum auf dem Dorfplatz, der Bändertanz, den die jungen Leute das Dorfes weben, oder die aufgestellte Birke vor dem Haus eines Mädchens bedeutet, wir führen noch heute vieles von diesen Bräuchen durch und können so zu teilen unsere Wurzeln zurückverfolgen.
Auch ein gekappter Baum lebt unter seinem Stumpf im Erdreich weiter und sammelt Kraft, um neu auszutreiben.
Dabei ist es wichtig, sich nicht von der Fülle der Bräuche irritieren zu lassen. Die vorchristliche Spiritualität war stark animistisch geprägt. Der Animismus folgt der Annahme, dass alles, was ist, in irgendeiner Form belebt, beseelt ist aber nicht unbedingt das gleiche Bewusstsein hat und erst recht nicht auf der gleichen Bewusstsein Ebene interagieren muss, wie es Menschen tun.
Dies hat, sofern der Animismus im Alltag integriert ist, eine starke Naturverbundenheit zur Folge und eine intensive Auseinandersetzung mit den Energien, die lokal die Natur beseelen. Die Konsequenz daraus ist, dass es kein einheitliches, religiöses Muster gibt, so wie wir es aus den großen Weltreligionen gewohnt sind. Das mag zunächst als Flickenteppich erscheinen, wenn man annimmt, dass nur universale Kräfte auch wirkmacht haben. Unsere Vorfahren hatten dazu allerdings ein anderes, tieferes Verständnis.
Das flache Land hat eine andere Energie als das Moor, der klare See, ein Berg, ein Bach oder ein breiter Fluss, dessen anderes Ufer man nur sehen kann, wenn das Wetter klar ist. Die Natur des Ortes selbst ist schöpferischer Ausdruck von ihrer eigenen Energiequallität. Mehr dazu werdet ihr im: „der Geist eines Ortes“ finden. Unsere Vorfahren haben das gewürdigt und das Brauchtum, dass dazu diente, mit diesen Energien zu interagieren, dem angepasst.
So entstand um bestimmte Zeitpunkte im Jahresrad herum eine ganze Bandbreite an lokalen und regionalen Besonderheiten, wie z.B. die Vermischung von Brauchtum, dass sich auf das „Götterspiel“ bezog (Ein zeremonielles nachstellen/nachspielen der Göttergeschichten, in denen die jeweiligen Energien je nach Schwerpunkt, invoziert wurden) und die Riten von lokalen oder Clan Schutzgottheiten.
Und diese Besonderheiten, sind deine „heiße Spur“ um deinen persönlichen Kontakt zu diesen Energien zu reaktivieren.
Also frage dich, welche Bräuche noch heute an deinem Ort sind. Sieh hinter den Kulissen der Heiligenverehrung nach. Und dann frage dich, mit was davon möchtest du eigentlich Kontakt? Welche Energie wird dort eigentlich „geholt“? Und wie lässt sich das auf dich Übertragen?